"Habe ich ein Burnout? Ich fühle mich morgens zerschlagen."
"Ich erwache nachts mehrmals und kann nicht mehr einschlafen. Ich fühle mich morgens zerschlagen und müde, bin unmotiviert und habe seit ein paar Wochen keine Energie mehr. Seit sechs Monaten habe ich einen neuen Job als Aussendienstmitarbeiter. Die Probezeit ist nun vorbei. Es war eigentlich vereinbart, dass ich hauptsächlich Kundenbesuche machen müsse. Nun stellt sich aber heraus, dass die Grosskunden unter den Mitarbeitern aufgeteilt wurden und ich hauptsächlich neue Kunden per Telefon anwerben muss. Das stinkt mir, aber ich getraue es nicht, meinem Chef zu sagen. Dieser setzt mich zunehmend unter Druck und sagt, ich solle mehr aus mir herauskommen. Dabei bin ich eher ein introvertierter Typ. Ich fühle mich einfach nicht geschätzt. Bei meinen früheren Jobs waren meine Vorgesetzten zufrieden. Manchmal sitze ich einfach vor dem Telefon, obwohl ich Kunden anrufen sollte. Eine Kollegin sagte mir, dass ich wahrscheinlich ein Burnout habe." Vincenzo, 26
Lieber Vincenzo
Nein, Sie haben kein Burnout. Sie sind zwar frustriert wegen ihrem Job, aber nicht ausgebrannt. Im Gegenteil, Sie haben Ihre Arbeit noch gar nicht erst richtig angefangen. Sie sind enttäuscht, weil Ihr Job anders ist, als Sie es sich vorgestellt hatten und beleidigt, weil Ihr Chef auf Ihnen rumhackt. Da machen Sie stillen Protest. Meine Meinung ist: Ihrem Chef ist Ihr Charakter eigentlich piepegal, wenn die Zahlen stimmen. Und um ein paar Telefone zu tätigen, muss man nicht zwingend ein extrovertierter Typ sein. Was halten Sie also von der Idee, eine Woche lang wirklich alles zu geben und Ihre Listen von Morgens bis Abends durchzutelefonieren? Sie haben doch sicher eine ruhige und sachliche Stimme. Vielleicht haben Sie ja Erfolg und können Ihrem Chef mal zeigen, welches Potential in Ihnen steckt. Wenn nicht, haben Sie eine Diskussionsbasis, um Ihrem Chef mit gutem Gewissen klarzulegen, dass seine Ziele zu hoch gesetzt sind. Klar sagen Sie ihm bei dieser Gelegenheit auch, dass Ihrer Meinung nach die Stammkunden gerechter unter den Mitarbeitern aufgeteilt werden müssten. Wenn alles schiefläuft – gekündigt ist schnell.
© Text: Dr. Hefti, Foto: Wix
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